Healing Camp India 2020: Tag 6 in Pondicherry
Streik legt Indien lahm
Vor genau zwei Jahren gelang der Initiative „Heiler ohne Grenzen“ der École San Esprit die große Sensation: 33 wagemutige Heiler reisten nach Pondicherry in Südindien und heilten dort im Rahmen des Healing Camp India 2018 mehr als 200 Leidende. Die Resonanz vor Ort war immens und die Heiler wurden zu gefeierten Helden. Nachdem schon kurz nach Ende des Camps Stimmen laut wurden, die sich für eine Fortsetzung aussprachen, nahm sich San Esprit Gründerin und Initiatorin Annette Müller dem Wunsch an und organisierte in den vergangenen 15 Monaten die Neuauflage des Healing Camps mit 45 Mitwirkenden.
Nun ist es soweit: Die Heiler sind inzwischen wohlauf und voller Tatendrang in Indien angekommen, wenngleich mit einem turbulenten Start. Nachdem sie die ersten Tage des Camps gemeistert haben, machen sich die Healers without Borders auf zu einem unverhofft freien Tag 6 in Pondicherry.
Den heutigen Tag haben die Heiler ohne Grenzen unfreiwillig frei bekommen. Zwar wollten die enthusiastischen Helden heute in Runde drei des Camps starten, jedoch war der Ballsaal des Hotels, in dem das Camp stattfindet, kurzfristig vom Management anderweitig vergeben. Auch das ist Indien!
„Wir haben dann geplant mit Prabhat eine Tempeltour nach Mahapalipuram zu machen“, erläutert Initiatorin Annette Müller. Star-Architekt Professor Dr. Prabhat Poddar wollte die Heiler als Fachmann herumführen. Ein besonderes Privileg: So entwarf Poddar bereits andernorts den nach zehn Jahren Bauzeit im Jahr 2008 eröffneten Oneness Tempel in Varadaiahpalem, in Herady. Der einige tausend Quadratmeter große Tempel bietet mehr als 8000 Menschen Raum zum Meditieren, welche täglich aus allen Teilen der Welt anreisen. Die Entwürfe des Tempels basieren auf Prof. Dr. Prabhat Poddars Forschungen zu Architektur, Geobiologie und der altindischen Vastu Lehre. Darüber hinaus war Poddar einer der leitenden Architekten von ausgewählten Bereichen der weltweit bekannten Auroville in Pondicherry sowie des in ebenfalls zehnjähriger Bauzeit von 2000 bis 2010 entstandenen New Township Projects im Norden Chennais. Und auch in vielen anderen Teilen der Welt, darunter Afrika, Amerika und auch Deutschland, entwarf der Architekt bereits Wohnhäuser, Bürokomplexe und Fabriken. Als Professor unterrichtet er die altindische Lehre weltweit. So lässt sich sagen, dass die Heiler mit dem sympathischen Inder den bestmöglichen Touristenführer zur Seite gehabt hätten, auch wenn er diese Tempelanlage nicht selbst entworfen hat.
Doch leider haben die erzwungen pausierenden Heiler erneut Pech. Ein landesweiter Streik macht den Heilern einen Strich durch die Rechnung. „Prabhat hat uns dann den Trip kurzfristig abgesagt. Zwar hatten die Tempel trotzdem geöffnet, doch die Straßen wurden wohl gesperrt. Deshalb konnten wir nicht fahren“, so Annette Müller.
Hintergrund des Streiks waren landesweite Proteste gegen die Wirtschaftspolitik der aktuellen Regierung und der damit einhergehenden zunehmenden Privatisierung und Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse. „Die Arbeitsbedingungen sind bereits jetzt der Wahnsinn. Ich weiß immer nicht, wann die Menschen hier schlafen. Shivaprasad beispielsweise, der sich hier so rührend um uns kümmert, steht jeden Morgen um 5 Uhr auf und geht für das religiöse Morgenritual in den Tempel. Wenn er dann nach der Arbeit wieder nach Hause kommt, ist die Sonne bereits seit Stunden untergegangen. Dieses Pensum bewältigt er Tag für Tag. Auch die Bedienungen in den Hotels sind teilweise 14 Stunden täglich im Einsatz – und das ist hier normal“, erklärt die Indienkennerin.
Take me back to Auroville
Doch von diesen Unwägbarkeiten lassen sich die Heiler wie gewohnt nicht aufhalten und entschließen kurzerhand einen Ausflug in das naheliegende Auroville Areal. Das geht zurück auf die Gelehrten Sri Aurobindo und Mirra Alfassa, auch bekannt und verehrt als „The Mother“. Entworfen wurde es zunächst als gesellschaftstheoretisches Modell einer nach vorne gewandten Stadt intellektueller Freiheit, welche Menschen aus aller Welt offenstehen sollte, die ein Leben in Frieden und bewusster Selbstentwicklung führen wollen.
Aurobindo konnte diese Idee nicht mehr selbst verwirklichen, da er am 5. Dezember 1950 in Pondicherry verstarb. Nach seinem Tod verwirklichte Mira Alfassa jedoch ihr gemeinsames Projekt und wurde dabei von der indischen Regierung unterstützt. Das Vorhaben wurde international so bekannt, dass sogar die Sonderorganisation der Vereinten Nationen UNESCO ihre Unterstützung erklärte. Im Jahr 1968 folgte dann die große Eröffnung mit Gästen aus nahezu allen Nationen der Welt. Bis heute leben mehr als 2700 Menschen dort und versuchen die Vision von Sri Aurobindo zu leben.
Und Annette Müller? „Ich wollte eigentlich an dem erzwungen freiem Tag entspannt eine Dosa essen gehen. Aber sogar das Restaurant hatte geschlossen wegen dem Streik.“ Doch die San Esprit Gründerin machte aus der Not eine Tugend – „ich habe mich dann tiefergehend mit dem Videobearbeitungsprogramm iMovie beschäftigt und unsere bisher entstandenen Videos geschnitten. Außerdem habe ich das San Esprit Team in Deutschland angerufen. Unser Büro ist ja trotz des Healing Camps besetzt um für unsere Schüler da zu sein. Dort haben sich auch alle sehr gefreut und ich soll natürlich liebe Grüße an die Schüler und Absolventen hier ausrichten. Einige aus unserem Büro waren ja bereits beim ersten Camp dabei. In der Heimat sind sie sehr stolz auf die Healers without Borders.“
Die Ergebnisse des kreativen Nachmittags gibt es übrigens hier zu bestaunen:
- „Das hat Indien mit mir gemacht“ Teil 5 - 25. Juli 2020
- „Es hat meinen Verstand völlig überfordert“ Teil 4 - 20. Juli 2020
- Heilerin auf Spezialmission Teil 3 - 13. Juli 2020
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